Coincidentia Oppositorum

Coincidentia Oppositorum
I
Coincidentia Oppositorum
 
Der philosophische Fachausdruck (auf Deutsch »Zusammenfall der Gegensätze«) ist ein zentraler Begriff im Denken des Kirchenrechtlers und Philosophen Nikolaus von Kues (1401-1464). Am Beispiel der Kreislinie, die bei einem unendlich großen Radius des Kreises mit ihrem »Gegensatz«, der Geraden, zusammenfällt, verdeutlicht der humanistische Gelehrte seine Vorstellung von Gott als einem allumfassenden Wesen, in das alle, auch die gegensätzlichsten Dinge eingebettet sind. - Der Ausdruck wird bildungssprachlich gelegentlich zitiert, wenn man sich auf das gleichzeitige Auftreten zweier einander eigentlich ausschließender Ereignisse bezieht oder - vordergründiger - wenn zwei sehr gegensätzliche Meinungen, Standpunkte, Charaktere aufeinander treffen.
II
Coincidẹntia Oppositorum
 
[lateinisch »Zusammenfall der Gegensätze«] die, - -, ein Grundbegriff in der Metaphysik und der Lehre von der Docta Ignorantia des Nikolaus von Kues: Die im Endlichen der Welt unvereinbaren Gegensätze (so etwa das Größte und das Kleinste) sind hiernach in der unendlichen Einheit Gottes eins. Aus ihr entfalte sich das in Gott Geeinte zu dem Vielen und Verschiedenen der Welt. Abbild der göttlichen Einheit ist für Nikolaus von Kues die unendliche Schöpferkraft der menschlichen Vernunft, aus der sich die Vielheit der Kategorien des Verstandes ergebe. Als Erkenntnismittel bezeichnet die Coincidentia oppositorum die Einheit über den Gegensätzen (z. B., wenn man »das Größte« absolut denkt, fällt es mit »dem Kleinsten« ineinander, da das absolut Größte nichts außerhalb seiner haben kann), im Unterschied zu den gegeneinander abgegrenzten Begriffen nach dem Widerspruchsprinzip. - Dieser Gedanke wurde von der späteren deutschen Philosophie aufgenommen, verschiedentlich sogar als ihr eigentlicher Beginn angesehen (I. Kants produktive Synthesis der Erkenntnis, J. G. Fichtes Dialektik des Ich, F. Schellings Indifferenzlehre, G. W. F. Hegels unendlicher Begriff). Den Gedanken der Coincidentia oppositorum verstand G. Bruno in pantheistischem Sinne; von ihm wirkte er fort auf G. W. Leibniz und dessen Monadenlehre. Vor Nikolaus von Kues hatte bereits Eckhart gelehrt, in Gott seien alle »Grasblättelein, Holz und Stein und alle Ding« eins. Ähnlich nahm sogar Thomas von Aquino eine »natürliche Einheit« in Gott für alles an, was »in sich selbst verschieden« ist (Summa theologiae I 4, 2 ad 1). Letztlich geht der Gedanke der Coincidentia oppositorum zurück auf die Lehre Plotins und des Neuplatonismus, dass das Viele aus dem Einen (Monas) des Seins und des Geistes hervorgehe und wieder zurückfließe (Emanation).

* * *

Co|in|ci|dẹn|tia Op|po|si|to|rum, die; - - [lat. = Zusammenfall der Gegensätze]: Aufhebung der irdischen Widersprüche im Unendlichen, im göttlichen All (bei Nikolaus von Kues u. Giordano Bruno).

Universal-Lexikon. 2012.

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